Wie wird Künstliche Intelligenz die Diagnostik und Beratung in der Medizin verändern?

Fuád Abuschuscha

1956 fand in Hanover, New Hampshire/USA, die Dartmouth Conference statt, die erste wissenschaftliche Konferenz zu künstlicher Intelligenz (KI). Über Jahrzehnte fristeten KI Systeme ein Schattendasein. Ohne große Datenmengen fehlte deren Nährboden und aufgrund der begrenzten Rechnerleistungen die Möglichkeit diese zu nutzen. In beidem besteht heute kaum ein Mangel. 2018 wurden weltweit pro Sekunde eine Milliarde Megabyte Daten generiert. In zehn bis zwanzig Jahren sollen Computer die Leistung und Arbeitsweise des menschlichen Gehirns 1:1 nachahmen können. 2017 gründeten die Vereinigten Arabischen Emirate ein eigenes „Ministerium für Künstliche Intelligenz“, weil sie die gewaltigen Herausforderungen und Chancen von KI Systemen erkannt haben. Die Veränderungen in der Medizin werden vielschichtiger und grundlegender sein, als es zunächst scheint.

KI Systeme ermöglichen personalisierte Diagnostik und erweitern das Diagnosespektrum

In immer mehr Lebensbereichen überlagert die virtuelle Welt das reale Leben. Damit sind neben den Daten von Milliarden vernetzter medizinischer Geräte, Archive und Objekte, zunehmend Informationen der individuellen Lebenssituationen verfügbar. KI kann versteckte Zusammenhänge aufdecken und bislang unentdeckte digitale Biomarker aufspüren, also erkennbare Muster verschiedener Datenquellen, die eine diagnostische oder prognostische Aussagekraft haben. Alle Einflussfaktoren am und im Organismus können berücksichtigt und individuelle Risikofaktoren als Gesamtbild erkannt werden. Wir werden zunehmend in der Lage sein, dem Auftreten von Risikofaktoren vorzubeugen.

KI Systeme professionalisieren den Patienten

Branchenfremde Unternehmen aus der IT oder der Unterhaltungselektronik bieten bereits heute ein breites Spektrum an datenbasierten Lösungen im zweiten Gesundheitsmarkt. So ist ein ganzer Markt für Selbst-Diagnostik entstanden, bei dem allein der Benutzer entscheidet, ob und was er überwacht und zu diagnostizieren versucht.

Ein Beispiel ist das Berliner Start-Up Ada, das zum Ziel hat Krankheiten zu finden, wenn sie noch 10-Euro- statt 10.000-Euro-Probleme sind. Der Nutzer beschreibt ein Symptom und das künstlich intelligente System entscheidet, welche Fragen gestellt werden, bevor es letztlich mögliche Diagnosen und Handlungsalternativen aufzeigt. Patienten informieren sich gezielter und sind in der Lage, im Arztbesuch eine Liste an differenzialdiagnostisch auszuschließenden Krankheiten einzubringen – was manchen Mediziner überrascht und herausfordert.

Neben den technischen Möglichkeiten führt die zunehmende Transparenz über den eigenen Gesundheitszustand dazu, dass sich Patienten mehr und mehr zu eigenverantwortlich handelnden Gesundheitskunden entwickeln. Je mehr sich Patienten zu aktiven Gesundheitskunden entwickeln, desto gezielter werden sie ihren Mediziner konsultieren, um sich frühzeitig ergänzend beraten zu lassen und ihre eigenen Entscheidungen zu treffen.

Künstlich intelligente Medizintechnik stützt die hippokratische Tradition

Seit über 2000 Jahren wird die hippokratische Tradition geprägt von “Primum nil nocere, secundum cavere, tertium sanare”.

Erstens: nicht schaden

KI Systeme ermöglichen es Medizinern auf das gesamte weltweit verfügbare Wissen und in Form digitaler Daten zuzugreifen und so gemeinsam zu lernen. Damit ist es beispielsweise möglich, Patienten mit ähnlichen Symptomen oder Krankengeschichten zu finden, die eigene Beurteilungsgrundlage durch die Erkenntnisse aller anderen zu erweitern und aufwendige Fokussuchen überflüssig zu machen.

Künstlich intelligente Medizintechnik hilft Brustkrebs bis zu fünf Jahre früher zu erkennen

In der Fachzeitschrift Thorax wurde 2019 eine Arbeit zum CT-Screening auf Lungenkrebs veröffentlicht. Durch KI wurde ein neuer Risikomarker identifiziert – die Anzahl der den Knoten umgebenden Gefäße – der besonders gut zwischen gutartigen und bösartigen Knoten unterscheiden kann. Zusätzlich war die KI den menschlichen Radiologen bei der Identifizierung gutartiger Knoten überlegen, die keine weitere Abklärung benötigen.

KI-Systeme werden es auch ermöglichen, falsche und inkonsistente Patientenangaben aufzudecken. Fehleinschätzungen, die auf falschen Angaben basieren oder im individuellen Erfahrungsmangel begründet sind, können vermieden werden. Außerdem werden seltene Nebenwirkungen von therapeutischen Interventionen über die weltweite Vernetzung transparenter und sind dadurch leichter zu erkennen.

Zweitens: vorsichtig sein

Das Erkennen von Mustern in Bildern und anderen gewonnener Patienteninformationen, ist ein notwendiger Schritt der Diagnostik. Da genau darin eine Stärke von KI-Systemen liegt, gibt bereits eine Vielzahl an künstliche intelligenten Assistenzsystemen.

Die israelische Firma Aidoc, die im Mai 2019 eine FDA-Zulassung erhielt, zeigt auf CT-Bildern mögliche Embolien an. Der Mediziner kann sich darauf konzentrieren, angezeigte Muster zu bewerten und Schlussfolgerungen zu ziehen. Systeme vergessen nie, Ausnahmefälle und Seltenheiten zu berücksichtigen. Systeme vergessen nie, genau hinzuschauen, ‘Zufallsbefunde’ werden zur Regel.

Drittens: heilen

Die zunehmende Dematerialisierung medizintechnischer Geräte machen selbst kleinste Produkte ‘smart’, neue und immer kleinere Sensoren verbessern zudem die Portabilität und deren Leistungsfähigkeit. Eine Vielzahl neuer Assistenz- und Unterstützungssystemen entsteht.

Beispielsweise ist es möglich, dem Operateur einen Warnhinweis zu geben, bevor dieser droht einen Fehler zu begehen. Die Tatsache, dass alle Informationen, vom Erstbefund, über die Diagnostik bis hin zum Ende der Behandlung digitalisiert und ausgewertet werden können, gibt der evidenzbasierte Medizin extremen Auftrieb.

KI Systeme können in einem noch nie dagewesenen Ausmaß die Wirksamkeit medizinischer Entscheidungen belegen. Zusätzlich erhalten Mediziner die Möglichkeit, sich auf ihre eigentliche Profession zu fokussieren, da Systeme die nötige Dokumentation vollständig übernehmen können, sodass mehr Zeit für und mit dem Patienten bleibt.

Die meisten Experten sind sich einig: Künstlich intelligente Medizintechnik wird sich auch in Zukunft durch ein sehr hohes Innovationspotenzial auszeichnen. In welchem Maße die Potenziale künstlich intelligenter Systeme genutzt werden können, hängt allerdings auch davon ab, in welcher Weise der Gesetzgeber zukunftsweisende Rahmenbedingungen schafft. Smarte Systeme und künstlich intelligente Medizintechnik helfen die großen Herausforderungen der Medizin zu lösen, stärken die gesundheitserhaltende Medizin und führen letztlich zu mehr Menschlichkeit.

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